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29.02.2016

Urteil zu verweigerter Organspende und Hirntoddiagnostik: Angehörige müssen sich an den Behandlungskosten eines „Hirntoten“ beteiligen

Erstmals wurden im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches die Angehörigen an den Behandlungskosten eines Patienten beteiligt, nachdem bei ihm eine Hirntoddiagnostik durchgeführt und eine Organentnahme von den Angehörigen verweigert worden war.

Der Verein Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. (KAO) rät allen Mitgliedern, wie auch auf ihrem Nicht-Organspender-Ausweis angegeben, einer Hirntod-Diagnostik zu widersprechen. Sie ist für eine intensivmedizinische Behandlung oder einen Behandlungsabbruch nicht notwendig.

Zum Sachverhalt

Wie KAO in einer Pressemitteilung vom 29.02.15 zum Fall ausführte, wurde im Rahmen einer Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht Mainz ein Vergleich geschlossen. Die Angehörigen müssen nun 10.000 Euro in Raten für die Behandlung ihres „toten“ Verwandten zahlen. Das Gericht wirkte mäßigend auf die ursprüngliche Forderung des Klinikum Worms von ca. 27.000 Euro ein. Der Patient - versichert bei der SBK Mannheim - war nach einer Wiederbelebung mit Hirnödem auf einer Intensivstation behandelt worden. Eine Organspende lehnten die Angehörigen ab. Trotzdem wurde der Patient an die Deutsche Stiftung Organtransplantation gemeldet und ohne ihr Wissen eine Hirntoddiagnostik durchgeführt. Dazu wurde keine Zustimmung eingeholt. „Das wäre unseres Erachtens aber unbedingt notwendig gewesen, da zumindest der dazu nötige Apnoetest (Atemstillstandstest) als gefährlich angesehen wird. Selbst die Deutsche Stiftung Organtransplantation spricht von einer „möglichen Gefährdung des Patienten“. Auch berief man sich laut Hirntodprotokoll auf eine Dopplersonographieuntersuchung der hirnversorgenden Gefäße, ohne dass diese in den Akten dokumentiert worden war“, so Dr. Martin Stahnke, 1. Vorsitzender von KAO.

Wie so viele waren die Angehörigen zum Zeitpunkt des Sterbens ihres Verwandten völlig unaufgeklärt, was die „Diagnose Hirntod“ bedeutet. Sie erlebten den Patienten als schwerkrank, aber lebend, was er ja auch war. Täglich wurde von kleinen Fortschritten berichtet. Die Angehörigen sahen immer wieder, dass ihr Verwandter auf ihre Anwesenheit reagierte. Dann wurde ihnen plötzlich eröffnet, dass eine positive Hirntoddiagnostik durchgeführt und der Totenschein ausgefüllt worden sei und dass die Geräte jetzt „abgestellt“ würden. Von dieser Situation völlig überrumpelt, wehrten sie sich gegen die Einstellung der Therapie und unterschrieben unter diesem Druck ein Schriftstück, in dem ihnen - quasi als Sanktion - die Behandlungskosten ab dem Zeitpunkt der Hirntod-Diagnose aufgebürdet wurden.

Nach dieser Gerichtsverhandlung, die die offenbaren Mängel bei der Aufklärung der Angehörigen und bei der Diagnosestellung des Hirntodes bei Herrn Lippke schlicht ausgeklammert hat, verfestigt sich für KAO der Eindruck, dass es im Sinne der Organgewinnung gleichgültig ist, ob die Hirntoddiagnostik regelkonform durchgeführt wird; sonst hätte das Gericht den Angehörigen nicht solche Summen auferlegen können.

Zur Vorgeschichte möchte KAO auch auf einen Filmbeitrag von Silvia Matthies "Wer bestimmt am Lebensende?" und den Artikel "Das Maß der Dinge", erschienen in „der freitag“, Ausgabe 19/15 vom 17.06.2015, hinweisen.

Auf seiner Internetseite unter www.initiative-kao.de hält KAO ausführliche Hintergrundinformationen und Angehörigenberichte zum Thema Organspende, Transplantation und Hirntod bereit. Diese seien jedem vor Ausfüllen eines Organspenderausweises empfohlen, um sich ein umfassendes Bild über alle Aspekte einer Organentnahme zu machen. Auf der Webseite gibt es unter „Materialien“ auch einen Nicht-Organspenderausweis zum Runterladen und Ausdrucken.
 

Über den Verein "KAO - Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V."

Kritische Aufklärung über Organtransplantation e.V. ist ein Verein, gegründet von Eltern, die ihre verunglückten Kinder zur Organspende freigegeben haben, ohne die Hintergründe zu diesem Zeitpunkt genau genug zu kennen.