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06.03.2013

Trotz Rückgangs der Abbruchzahlen: Lebensrechtler kritisieren Familienpolitik

Wiesbaden (idea) - Die Zahl der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche ist im Jahr 2012 um 1,9 Prozent auf 106.800 zurückgegangen, wie das Statistische Bundesamt (Wiesbaden) am 6. März mitteilte. Lebensrechtorganisationen kritisieren eine geringe Aussagekraft dieser Angaben.

Die meisten Abtreibungen wurden laut Bundesamt zwischen der siebten und achten Schwangerschaftswoche vorgenommen. 74,3 Prozent der Frauen, die abgetrieben haben, waren zwischen 18 und 34 Jahre alt; 3,6 Prozent waren minderjährig. 14,5 Prozent waren zwischen 35 und 39 Jahre alt und 7,6 Prozent 40 Jahre und älter. Insgesamt 60.993 Abtreibungen ließen ledige Frauen vornehmen; bei 40.993 Abtreibungen waren die Frauen verheiratet und bei 4.858 geschieden. Regional betrachtet fanden die meisten Abbrüche im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (22.058) statt, gefolgt von Bayern (11.987) und Baden-Württemberg (11.029). Ingesamt geht laut den Berechnung des Bundesamtes auch die Quote der Schwangerschaftsabbrüche je 10.000 Frauen im sogenannten „gebährfähigen Alter“ zwischen 15 und 50 Jahren zurück. 1997 kamen auf 10.000 Frauen 66 Abtreibungen, 2012 waren es 57. Ebenfalls rückläufig ist nach Angaben des Bundesamtes die Zahl der Lebendgeburten. Während 1997 812.173 Kinder geboren wurden, waren es im Jahr 2011 noch 662.685 Kinder. Die Zahlen für 2012 liegen noch nicht vor. Das Bundesamt rechnet mit 660.000 bis 680.000 lebend geborenen Kindern bei gleichzeitig deutlich mehr Sterbefällen, so dass das Geburtendefizit voraussichtlich bei etwas 185.000 bis 200.000 liegen wird.

„Wir sind ein kinderfeindliches Land“

Mechthild Löhr, Bundesvorsitzende der Lebensschutzorganisation „Christdemokraten für das Leben“ (CDL, Münster), bezog gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea Stellung zu den neuen Daten: „Immer wieder macht es uns tief betroffen, dass die Gesellschaft überhaupt nicht darüber diskutiert, wie bedrückend es ist, dass über 100.000 Kinder nicht geboren werden, weil nach Überzeugung der Eltern die soziale Situation zu schwierig für sie ist.“ In diesem Zusammenhang könne man nur von einem Scheitern der Familienpolitik sprechen, da die Geburtenrate so niedrig sei wie noch nie in der Bundesrepublik Deutschland und jede siebte Schwangerschaft mit einer Abtreibung ende. Löhr: „Mehr als 1,1 Millionen statistisch erfasste Abtreibungen allein in den vergangenen zehn Jahren sind ein Signal dafür, dass wir ein kinderfeindliches Land geworden sind.“ Die Dunkelziffer liege noch weit höher, da nicht alle Abtreibungen gemeldet würden: „Dass 100 Prozent aller Abtreibungen gemeldet werden, ist genauso naiv wie anzunehmen, dass alle Ärzte ihre Steuererklärung zu 100 Prozent korrekt und genau machen.“

97 Prozent der Abtreibungen nach Beratung

Gerhard Steier, Geschäftsführer von KALEB (Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren, Berlin), einem Mitglied im Bundesverband Lebensrecht, lenkt den Blick auf weitere hohe Kennziffern in der Statistik: „97 Prozent der Abtreibungen finden nach einer Beratung statt. Was hilft somit eigentlich die Beratungsregelung, wenn sich dieses Niveau verfestigt hat. Ist die Beratung nur ein formaler Akt? Was haben alle Aufklärungsprogramme gebracht?“ Es gebe, so Steier, keine Qualitätskontrolle der Beratungsbetreiber: „Welche Ideen hat die Politik, um wirksamere Methoden einzuführen? Und welche Schlüsse ziehen eigentlich die Kirchen für ihre Jugendarbeit aus dieser gesellschaftlichen Lage?“ Sowohl die CDL-Vorsitzende Löhr als auch Steier weisen darüber hinaus darauf hin, dass in der Statistik eine neue Entwicklung nicht berücksichtigt sei, nämlich der Einsatz der „Pille danach“. Sie sei 2011 insgesamt 370.000 Mal verkauft worden - „Tendenz steigend“, so Löhr. „Bei den derzeit am Markt angebotenen Produkten wird eine Abtreibung des Embryos in den ersten Tagen seiner Existenz billigend in Kauf genommen.“ Steier ergänzt: „Ich stelle mir die Frage nach der möglichen Verbindung zwischen den zurückgehenden Zahlen der offiziellen Schwangerschaftsabbrüche und dem Anstieg bei der ,Pille danach’: Möglicherweise geht die Zahl der Abtreibungen nur zurück, weil die ,Pille danach’ so oft genutzt wird.“

 

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